Zeitschrift Info3
Nr.4, 1983 April
Interview mit Valery Valius
„Die Westeuropäer sind zum Teil stolz auf ihre Kultur, 
aber auf keinen Fall. deshalb, weil sie für sie eine aktuelle Botschaft 
enthielte"
Ein Gespräch mit dem Russen Valery Valius: Dieser nimmt 
bei seiner Emigration die Bilder seines Vaters, eines von offizieller Seite 
verfemten Künstlers, mit nach Deutschland und stößt hier auf unerwartete 
Schwierigkeiten: niemand will die Bilder sehen bzw. ausstellen.
Der Schicksalswandel der aus dem Osten in den „freien Westen" überführten Bilder 
kommt im folgenden Gespräch zum Ausdruck. Er ist jedoch mehr als nur die 
Geschichte einiger umstrittener Bilder und eines möglicherweise verkannten 
Künstlers. In diesem Schicksalswandel spiegeln sich vielmehr die Verzerrungen 
und menschlichen Folgeerscheinungen zweier gesellschaftlicher Systeme. In dem 
einen gilt als Kunst nur mehr das, was zur Illustration und Verherrlichung der 
einen Ideologie dient, alles Darüberhinausgehende wird in die Verborgenheit 
getrieben, erfreut sich jedoch großen Interesses. In dem anderen ist 
künstlerisches Interesse hingegen fast gänzlich ausgerottet, mit entsprechendem 
Finanz- und Publicity Aufwand allerdings läßt sich ungefähr alles als Kunst 
verkaufen.
Als Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Eigenarten und ihrer Auswirkungen im 
menschlichen Verhalten in Ost und West hat der hier geschilderte Einzelfall 
symptomatischen Charakter. Er ist einer unter vielen.
Das Gespräch führte Raymond Zoller. Valery Valius hat es anschließend selbst 
schriftlich zusammengefaßt. -N. Rohlfs
Valery Valius ist 43 Jahre alt und ehemaliger Geophysiker. Im Jahre 1977 
emigrierte er aus der UdSSR. Zur Zeit wohnt er in München.
Es gelang ihm, die Bilder seines verstorbenen Vaters, des Moskauer Künstlers 
Pjotr Adamowitsch Valius (1912. 1971) mit in den Westen zu bringen. Er bemüht 
sich, diese Bilder, als eine Botschaft des Lebens im heutigen Rußland, den 
Menschen im Westen zugänglich zu machen.
- Du hast, als du emigriertest, die Bilder deines Vaters mit in den Westen 
gebracht. Aus welchem Grunde?
Valery: „Es gibt viele Gründe: Einmal ist es unmöglich, sie in der Heimat zu 
zeigen. Das Atelier, wo wir sie in privatem Rahmen zeigten, wurde uns 
weggenommen und Aussicht auf andere Möglichkeiten bestand nicht. Außerdem trat 
1976 das neue Gesetz „zum Schutz der Kultur- und Geschichtsdenkmäler" in der 
Sowjetunion in Kraft. Es stellte eine ernsthafte Bedrohung für alle privaten 
Sammlungen dar. Zu dem Begriff „Denkmal" rechnet das Gesetz auch Bilder und 
Manuskripte. Kunstwerke werden beschlagnahmt, wenn sie mangels anderer 
Möglichkeiten „falsch" untergebracht sind oder „zweckentfremdet" eingesetzt 
werden, zum Beispiel wenn man sie in Eigeninitiative einem Publikum vorstellt.
Und natürlich gibt es gewisse Illusionen in Bezug auf den Westen. Das Image, das 
der Westen nach außen, darunter auch der Sowjetunion, zeigt, und an das er zum 
Teil selber glaubt, hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun."
- Was meinst du mit „Illusionen"?
„Zum Beispiel bezeichnet sich der Westen als frei. „Freiheit" wird in der 
Sowjetunion verstanden als Möglichkeit, Verbotenes und Strafbares zu tun, wie 
auch immer Philosophen und Ideologen mit diesem Wort umgehen mögen. In der 
prägnanten Formulierung Sinowjews heißt es: „Freiheit ist der Schritt aus der 
Gefängniszelle zum Grab".
Doch die Menschen träumen nicht vom Grab, sondern vom freien Westen, kämpfen um 
das Recht auf Auswanderung und wandern aus. Ich spreche jetzt nicht von 
Kriminellen, die vom Unerlaubten träumen (welche auch auswandern). Die Motive 
der Millionen Emigranten sind sehr vielfältig. Doch wenn es nicht das Übliche, 
Abgedroschene ist, wenn man auch im Westen noch im früheren Leben verwurzelt ist 
- wie ich dem selbst ein paar Mal begegnet bin und es auch mit den Bildern 
meines Vaters erlebe, so sind einem Jahre vergeblicher Anstrengungen und 
Verzweiflung gewiß. Als ich auswanderte, hätten weder ich noch meine Verwandten 
damit gerechnet. Natürlich dringt neben der Propaganda von sowjetischer oder 
westlicher Seite auch objektive Information über den Westen 'in die Sowjetunion 
ein; zum Beispiel in Form von Belletristik. Doch wenn man noch in der 
Sowjetunion ist, fällt es einem schwer zu glauben, daß ein Buch, das Werk eines 
einzelnen Autoren, nicht bloß etwas Vereinzeltes, eine sublim wahrgenommene 
Tendenz darstellt, sondern handfeste Realität ist, die einen erwartet. Und die 
man nicht umgehen kann. In Deutschland erinnere ich mich vor allem an das „Schloß" 
von Kafka. Zum Glück nicht an den „Prozeß".
Nun lag ja der Hauptgrund für die Ausfuhr der Bilder in den Bildern selbst. Ich 
bin nicht so verrückt, daß ich „das Andenken meines Vaters" über die Grenzen des 
Vernünftigen hinaus ehren würde. Er ist beerdigt; auf seinem Grab steht ein 
Grabmal; doch sind diese Bilder ein wichtiger Teil der menschlichen Kultur. Man 
muß sie retten und zeigen. Das erste ist im Westen gewährleistet. Hier zu leben 
ist nicht gefährlich, und auch um die Bilder braucht man keine Angst zu haben. 
Nur: - sie zu zeigen, ist schwierig."
- Kannst du etwas zu den Bildern sagen?
„Das Leben kann sich in geheimnisvoller Weise in der Arbeit eines Malers 
konzentrieren. In den Gemälden findet eine direkte Übertragung von Gedanken, 
Gefühlen statt; durch das Bild kann das Leben in seiner wirklichen Dimension 
gezeigt sein, aber auch das Gemälde selbst kann als solches gelten."
- Welche Möglichkeiten bestanden in der Sowjetunion, die Bilder zu zeigen? Hat 
dein Vater an Ausstellungen teilgenommen?
„Mein Vater verdiente seinen Lebensunterhalt mit Buchgestaltung. Als 
Buchgraphiker war er Mitglied der Künstlervereinigung und nahm an fast allen 
Buchausstellungen teil.
Anders steht es um seine Bilder. In der Sowjetunion bestimmen Kunstsowjets, ob 
Bilder zu Ausstellungen zugelassen werden. Die Bilder meines Vaters wurden ganz 
selbstverständlich abgelehnt... Sie erreichen nicht einmal annähernd den Rahmen 
des „sozialistischen Realismus". Im Übrigen hat mein Vater das auch nur, selten 
versucht - es hatte einfach keinen Sinn. Zwei Ausstellungen hat er jedoch gehabt; 
1968 war das. Beide in abgeschlossenen Instituten; eine bei Chemikern und eine 
bei Atomphysikern. Die eine drei Tage, die andere zehn Tage lang. Ohne 
Kunstsowjets, ohne Werbung, nur für die Mitarbeiter der Institute, auf 
Initiative und eigenes Risiko der Organisierenden. Bei den Chemikern gab es 
sogar eine Diskussion; und es wurden Gäste von außerhalb zugelassen. Obwohl das 
sehr nervenaufreibend war.
Und dann noch eine Ausstellung, vor seinem Tod und darüber hinaus: in seinem 
Studio. 1970, in seinem letzten Lebensjahr, als er schon an Krebs erkrankt war, 
erhielt er dieses Atelier, eine ehemalige Kellerwohnung. Doch schon während der 
Renovierung wurde klar, daß dort nicht mehr gearbeitet würde. Der Vater lag im 
Sterben. Im Dezember wurden seine Arbeiten an die Wände gehängt. Und wir 
öffneten das Studio für alle, die herein wollten. Es kamen überwältigend viele 
Besucher, die später wiederum ihre Bekannten und Freunde schickten, daß tagelang 
in den Räumen bei den Bildern eine dichte Menschenmenge wogte. Das war eine 
echte Anerkennung. Einmal brachten wir meinen Vater dorthin, und er konnte das 
selbst miterleben. Vielleicht hat dieser - inoffizielle, aber wirkliche - Erfolg 
dazu beigetragen, daß er im letzten Monat seines Lebens sehr viel gearbeitet 
hat; intensiver denn je, mit letzten Kräften. Er malte seine letzten neun Bilder. 
Im Februar darauf starb er.
Nach seinem Tode zeigten wir noch viereinhalb Jahre lang seine Arbeiten im 
Studio; einmal pro Woche. Im Herbst und Winter hatten wir etwa 200 Besucher am 
Tag, im Sommer etwa 10 mal weniger. Schließlich wurde uns ohne Angabe von 
Gründen das. Atelier weggenommen. Die Polizei brach die Tür auf; die Bilder 
hatten wir jedoch schon weggebracht."
- Im chemischen Institut gab es eine Diskussion. Wie lief die ab?
„Die Diskussion wurde von verschiedenen Seiten aus vorbereitet. Zuerst sprachen, 
als geladene Gäste, die Schriftsteller Borschtschagowski und Kopelew. Sie 
sprachen von den Bildern und dem Schicksal des Künstlers; alles in 
ehrfurchtsvollem Ton. Es gab auch beleidigende und ungerechte Auftritte; zum 
Beispiel kann ich mich an zwei junge Leute erinnern. Beide redeten etwa so: „All 
das haben wir schon gesehen. Weder neu nach interessant. Das alte Lied der 
zwanziger Jahre. Die Abstellkammern der Tretjakow-Galerie und des Russischen 
Museums sind überfüllt mit weitaus stärkeren Arbeiten." Als ob jemand der 
Anwesenden selbst in diesen Abstellräumen gewesen' wäre. Heute, nachdem ich mich 
ausgiebiger mit Kunstsachverständigen bekannt gemacht habe, würde ich diese 
jungen Leute den „Kunstsachverständigen in Zivil" zuordnen (wie man bei uns die 
KGB-Mitarbeiter nennt, die in der Sparte Kunst im Einsatz sind), doch damals hat 
mich ihr Auftritt verletzt."
- Wie hast du es geschafft, die Bilder herauszubringen?
„Als ich emigrierte, nahm ich sie auf legalem Wege mit. Ich hätte anfangs nicht 
gedacht, daß das möglich sein würde. Die Regeln, die sich immer wieder ändern, 
waren damals folgende: Man konnte 3 Bilder oder 6 Graphiken mitnehmen. Die 
Arbeiten werden durch eine Expertenkommission begutachtet, die bescheinigen muß, 
daß sie keine künstlerischen und geschichtlichen Werte darstellen; der 
Antragsteller bezahlt 100 % Gebühren, d.h. den vollen Preis der Bilder und im 
Kultusministerium macht man den Stempel drauf „frei zur Ausfuhr". Nun stelle man 
sich vor wie es ist, wenn ein Künstler auswandert, der dreißig oder dreihundert 
Bilder mitnehmen will, die er sein ganzes Leben lang gemalt hat und nicht 
verkaufen konnte. Das Prädikat „die Arbeiten stellen keine historischen und 
kulturellen Werte dar" wollen wir einmal beiseite lassen und nehmen an, daß er 
es sich verschaffen konnte. Doch wo soll er das Geld hernehmen, um seine eigene 
Lebensarbeit zu bezahlen? Manchmal gab es bei der Auswanderung von Künstlern 
Skandale, außerdem gab es absichtliche Beschädigungen beim Transport. Die 
Skandale wurden dann von der westlichen Presse aufgegriffen; und darauf reagiert 
die Sowjetunion empfindlich. Neben den niedergeschriebenen Regeln existierten zu 
der Zeit, als ich auswanderte, auch unausgesprochene. In Ausnahmefällen konnte 
man mehr als drei Arbeiten mitnehmen; bezahlen mußte man zwar eine hohe, aber 
erschwingliche Summe. Viele Menschen halfen mir, mit den Bildern meines Vaters 
als „Ausnahmefall" zu gelten. Ich glaube, daß ich dafür nicht nur den Bemühungen 
verpflichtet bin, von denen ich weiß, sondern auch dem Kampf der Künstler, die 
vorher ausgewandert sind, dem inoffiziellen Bekanntheitsgrad der Bilder, und der 
Möglichkeit, in die westliche Presse zu geraten. Und sicher auch meiner Mutter, 
der die Bilder gehörten und die, neben allen anderen Bemühungen, auch noch die 
Ausfuhr bezahlte, Zu der Zeit war ein Buch von ihr erschienen, über Künstler, 
darunter auch über meinen Vater: „Ein glücklicher Mensch", das sie die Arbeit 
der letzten sieben Jahre hineingesteckt hatte. - Das Honorar für das Buch- 
verwendete sie für die Ausfuhr der Bilder und für meine Emigration."
- Was ist nun das Schicksal dieser Bilder im Westen? Was tust du hier mit ihnen? 
Haben sie Erfolg hier?
„Ich bewahre sie auf. Meistens stehen sie bei mir zu Hause, mit dem Gesicht zur 
Wand. Manchmal mache ich Ausstellungen. Der Unterschied zu Moskau ist , gewaltig. 
Eine Ausstellung in einem Monat - mit Ankündigung in Zeitungen und persönlichem 
Einladungen - sieht- hier so aus: Die Leute kommen vor allem zur Vernissage; so 
40 Personen. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis; man kann Leute treffen, 
Bekannte einladen, sich unterhalten, und auch Bilder anschauen. Von da ab dann 0 
- 5 Besucher pro Tag. So daß zu einer einmonatigen Ausstellung hier weniger 
Besucher kommen als an einem Tag im Atelier in Moskau. Hier gibt es einfach 
keine Besucher. Im Sommer kamen auch in Moskau wenig_ Leute. (So daß man 
Deutschland als das Land des ewigen Sommers bezeichnen kann.) Vielleicht kann 
man sagen, daß in der Werteskala des westlichen Menschen die Kunst nur eine 
untergeordnete Rolle spielt. Und die Westeuropäer sind ziemlich stolz auf ihre 
Kultur, aus allen möglichen Gründen. Aber auf keinen Fall deshalb, weil Kunst 
für sie eine aktuelle Botschaft enthielte. Bevor ich emigrierte, hing das 
Schicksal der Bilder - die Ablehnung der Kunstsowjets und der Strom der Besucher 
in die Werkstatt - von den Bildern selber ab. Hier hängt das Zustandekommen von 
Ausstellungen im Wesentlichen von Faktoren ab, die mit den Bildern selbst nichts 
zu tun haben. Und selbst die Besucher, die tatsächlich kommen, schauen die 
Bilder mit ganz andern Augen an."
- Worin siehst du den Unterschied zwischen der Betrachtung hier und dort?
„Nun, die wirklich guten Betrachter, die die Bilder unmittelbar und 
vorurteilslos auf sich wirken lassen, sind hier wie dort recht selten. Genauso 
die wirklich schlechten, die mit ihren ungenierten lauten Bemerkungen in der Art 
wie: „Schmierereien eines Verrückten" oder wie jener Mensch, der ins Gästebuch 
schrieb: „Ich verstehe nicht, ich will das nicht aufnehmen, ich bin dagegen!" 
Viel häufiger stößt man, wenn auch nicht auf Verständnis, so doch auf Achtung, 
Sympathie und den Wunsch; bei der Organisation künftiger Ausstellungen zu helfen.
Doch öfters als anderes habe ich gehört: „Warum solch aggressive Farben? Warum 
beunruhigen die Bilder einen so? Wozu hatte der Künstler das nötig?" Oder so: 
„Es gibt auf der Welt sehr viel Kummer und Leiden; man würde wünschen, daß die 
Kunst lichter und fröhlicher sei." Und dann natürlich: „Diese Bilder kann ich 
bei mir zu Hause nicht aufhängen. Oder: „Wenn er sie nicht verkaufen konnte - 
wozu hat a sie dann gemalt?"
Auch in Moskau konnte man solches hören; doch unvergleichlich seltener. In 
solchen: Fällen Erklärungen abzugeben - was ich oft versucht habe - vergiftet 
einem nur die Seele.
Die Freiheit des Künstlers als seine Berufung verstehen sie wirklich nicht. 
Freiheit wird hier gleichgesetzt mit Sicherheit. Durch Geld, Eigentum, Polizei, 
Gesetz, Waffen usw... Beim Handeln wird das Sicherheitsbedürfnis zur Forderung 
nach Umkehrbarkeit, nach der Möglichkeit, jeden Schritt rückgängig zu machen. 
Ich glaube, daß man sehr viele Besonderheiten des westlichen Lebens durch ein 
solches Verständnis von Freiheit erklären kann. Zum Beispiel: „Die Realpolitik 
kann sein wie sie will: sie muß nur in der Lage sein, in jedem Moment den 
Partner zu finden, zu wechseln, aufzugeben." - „Die emanzipierte Frau kann sein 
wie sie will; sie muß nur in der Lage sein, in jedem Moment den Partner zu 
finden, zu wechseln, aufzugeben." Nicht schwierig, für Geschäft und Handel 
ähnliche Sätze zu finden. Und natürlich für die Kunst, die als Ware auf dem 
Vergnügungsmarkt definiert wird.
Auch erstaunte mich, wie viele Menschen im Westen der unmittelbaren Wahrnehmung 
die Information aus zweiter Hand vorziehen, die durch hierzu berufene Leute zur 
Verfügung gestellt wird. Wie Schüler nehmen sie ein Buch, lesen und dann: 
„Rembrandt, ja, den haben wir durchgenommen." und: „Picasso, das war doch der 
mit den drei Frauen."
Wenn auf einer Ausstellung ein erläuternder Text ausgehängt war, so war die 
Reihenfolge meist so: Zuerst der Text, dann die Bilder. Ich will nicht auf den 
Westen schimpfen. Wie könnte man auch! Schön, reich, geschäftig heißt: frei. Von 
Ost mit Hoffnung betrachtet. Leute, die sich mit den Verboten des Sowjetregimes 
abquälen, denken, daß sie es im Westen leichter hätten. Aber was man den „freien 
Westen" nennt, ist ein Übersetzungsfehler, ein Witz. In der sogenannten „freien 
Welt" sind die Möglichkeiten durch Banalität begrenzt."
- Erhieltest du Unterstützung durch Kunstsachverständige?
„Kunstsachverständige, die an einer Schaltstelle sitzen, sind feine, kluge, 
prestigebewußte Menschen, mit einem hervorragenden Bildungshintergrund. Aber 
damit uns zuviel Achtung nicht verwirrt, ein einfaches Beispiel:
Stellen wir uns einen Maler vor, einen professionellen, der Decken streicht. 
Glaubst du, er möchte alle Decken streichen, die es nötig haben? Daß er noch 
keine Decken gesehen hat, die sich schälen? Doch wenn eine Bestellung da ist, 
wenn ein Kunde oder Freund darum gebeten hat, so wird er sich an die Arbeit 
machen und sein Bestes geben. Ähnlich der Kunstsachverständige. Wenn ein Auftrag 
vorliegt, sich mit einer Sache zu beschäftigen, sei es Verurteilung oder 
Förderung, wird er sich an die Arbeit machen und sein Bestes geben. Aber schon 
darin liegt für mich die Verdrehtheit. Die Schwierigkeit besteht darin, einen 
Men- scheu zu finden, dessen Interesse für die Kunst ehrlich ist, und dessen 
Position ausreicht, um einen Kunstsachverständigen zur Arbeit zu motivieren. 
Aber ich habe auch Ausnahmen mit Kunstsachverständigen erlebt, deren echtes 
Interesse an den Gemälden grösser war als ihre Möglichkeiten."
- Doch hat es im Westen schon eine ganze Anzahl Ausstellungen mit diesen Bildern 
gegeben. Wie kamen sie zustande?
„Kommerzielle Galerien fallen für mich von vornherein flach. Sie sind nur am 
Verkauf der Bilder interessiert; und obwohl es Liebhaber gibt, die einzelne 
Arbeiten kaufen wollen, habe ich moralisch nicht das Recht, die Samm¬lung .auf 
einzelne Besitzer aufzuteilen. Zudem sind es im Grunde Museumsbilder; den 
größten Teil von ihnen kann man tatsächlich „zu Hause nicht aufhängen"...
Es ist hier für mich möglich, Ausstellungen zu organisieren an Orten, die dafür 
nicht vorgesehen sind: auf der Straße, in Schulen, im Cafe, bei 
Versicherungsgesellschaften, in Konferenzsälen, in Klubs. Eine Ausstellung war 
sogar in einem Schloß. Ein herrlicher Raum; nur leider sehr feucht.
In der Sowjetunion bestehen solche Möglichkeiten nicht. Ich empfinde sie wie ein 
Wunder. Aber auch hier gibt es sie nicht überall und ohne Probleme. Zum Beispiel 
erhielt ich in Stuttgart die Erlaubnis zu einer eintägigen Ausstellung innerhalb 
einer Viertelstunde. Für eine ähnliche Ausstellung in Leonberg brauchte es einen 
zweimonatigen Briefwechsel. In München dauerte es 8 Monate, bis ich die 
Ausstellungserlaubnis bekam. Zum Teil war es auch meine Schuld, da ich nach der 
ersten Absage ratlos war und die Bemühungen für einige Zeit einstellte.
Lokalitäten, die für Ausstellungen vorgesehen sind, sind mir unzugänglich. Erst 
sprach ich dort persönlich vor, dann schrieb ich Briefe. An 
Kunstausstellungsplätze, Kunstvereine und ähnliche Ämter, insgesamt mehr als 100 
Briefe in Deutschland und anderen Ländern. Es kamen aber keine positiven 
Antworten. Das Kultursystem, das Netz der Einrichtungen, weiß sich wohl zu 
schützen vor Bildern eines ihm unbekannten Künstlers.
Ich weiß nicht, unter welchen Bedingungen oder nach welchen Regeln die 
Zuständigen in diesem Kultursystem arbeiten; das interessiert mich auch gar 
nicht. Denn, um die Gemälde zu zeigen, haben nicht sie ihre Unterstützung 
gewährt, sondern Hunderte anderer Leute haben durch persönlichen Einsatz 
geholfen - ohne Entlohnung, oft mit ihren letzten finanziellen Mitteln. Die 
offiziell Zuständigen zu bitten, war nur verlorene Zeit für mich. Sie erfüllten, 
wenigstens nach meiner Erfahrung, den Sinn ihrer Arbeit nicht - und das ist in 
der UdSSR wie im Westen dasselbe.
Zu guter Letzt schrieb ich ziemlich verzweifelt einen Brief an den Bundeskanzler 
Schmidt und bat um Hilfe. Die folgte Anfang des vorigen Jahres. Die Reaktion auf 
mein Schreiben war über meine Erwartungen hoffnungsvoll. Der Bundeskanzler und 
seine Frau luden mich offiziell zur Eröffnung einer Ausstellung deutscher 
Künstler in Bonn. Natürlich bin ich der Einladung gefolgt und hatte die Ehre, 
unter andern 400 geladenen Gästen den Bundeskanzler mit eigenen Augen und Ohren 
sehen und hören zu können. In der Zeit, in der meine Sache durch verschiedene 
Instanzen ging, erhielt ich offizielle Briefe. Der letzte Brief kam aus 6. 
Instanz (gezählt vom Bundeskanzleramt) mit dem Rat, mich mit eigener Kraft 
durchzuschlagen. Natürlich mit Erfolgswünschen."
- Was ist das Ziel deiner Bemühungen?
„Wände für die Bilder. Eine Sache, die mir das Schicksal zufällig aufgehalst 
hat, eigentlich eine 5-Minuten-Angelegenheit."
Übersetzung aus dem Russischen: Raymond Zoller

