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Kreiszeitung, Herrenberger Nachrichten

Donnerstag, 22. Januar 1981

Nr.17 – 156. Jahrgang, Kultur

 

Hans-Dieter Schuh

 

BILDER AUS RUSSLAND:

 

Realist der Gefühlswelt

 

VHS Herrenberg präsentiert, Werke von Pjotr A. Valius

 

Etwas Außergewöhnliches und Seltenes kann noch heute in der Galerie der Stadt Herrenberg und danach in der Volkshochschule bestaunt werden: Russische Malerei, zum Teil noch nicht einmal zehn Jahre alt, von. Stilrichtungen freie Farb-Eruptionen, Bilder, die der Künstleralltag in der Sowjetunion von heute geprägt hat, kurz: Werke des russischen Malers, Pjotr Adamowitsch Valius, der 1971 im Alter von 58 Jahren in Moskau an Krebs gestorben ist.

„Er war Künstler. Seine Bilder hingen an den Wänden seines Ateliers; zwei Monate zu seinen Lebzeiten und viereinhalb Jahre nach seinem Tod, bis die Regierung uns die Werkstatt wegnahm. Einmal pro Woche war sie für Besucher geöffnet. Im Sommer kamen normalerweise wenig Leute,  so 15 bis 20 am Tag. Im Herbst und im Winter waren es bis zu zehnmal mehr." Mit diesen Worten beginnt der Aufsatz „Die Bilder meines Vaters" von Dr. ValeryValius, der heute in Stuttgart lebt und den Nachlaß des Malers verwaltet. Diese Besucherzahlen und der daraus ablesbare Bekanntheitsgrad des Künstlers in der Sowjetunion waren enorm, bedenkt man die Versuche des sowjetischen Geheimdienstes KGB, seine Arbeit zu verhindern.

Valius` Künstlerleben in der Sowjetunion kann sicher als exemplarisch gelten. Als er 1947 seinen Beruf aufgeben wollte, um sich ganz der Kunst zu widmen, war dies erst nach einigen Hakenschlägen möglich. Was folgte war das reine Elend. Schließlich schaffte er es, mit der Gestaltung von Buchumschlägen zu relativem Wohlstand zu kommen. Wohlstand, das bedeutete Feste bis in den frühen Morgen in der Ein-Zimer-Wohnurig, die Valius mit Frau, Kind und Großmutter bewohnte.

Die Überwachung und Erpressung durch den Geheimdienst nahm weiter zu. Der „Salon", der einige seiner Arbeiten legal ins Ausland verkauft hatte, nahm keines seiner Bilder mehr an. Dafür tauchte eines Tages ein mysteriöser Italiener auf, der verschiedene Bilder kaufen wollte. Gegen „Westgeld" versteht sich. Glücklicherweise efuhr Valius, daß es sich bei dem Italiener dum einen KGB-Agenten handelte, und willigte daher nicht in das Geschäftein. Hät­te er dieser „Valutenmanipulation", wie so etwas in der UdSSR genannt wird, zugestimmt, wäre er entweder zur Marionette des KGB abgesunken öder er hätte hohe Haftstrafen verbüßen müssen.

Diese kurze Episode soll nur den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte - in einigen Fällen allerdings auch den Gehalt - der Bilder beleuchten. Einige der Werke haben eindeutig politischen Inhalt.

Ebensowenig, wie sich Valius von dem sowjetischen Regime hat vereinnahmen lassen, wurde er von einer der europäischen Stilrichtungen eingeschränkt. Sicher mag hierbei die große Entfernung zu Mitteleuropa eine Rolle gespielt haben, doch es ist anzunehmen, daß die Bedingungen für einen Kunstschaffenden in Moskau eine starke Ausprägung seiner Künstlerpersönlichkeit fördern. Dr. Helge Bathelt, Leiter der ausstellenden Volkshochschule, sprach in seiner Einführung von „künstlerisch günstigen Bedingungen", da das „Feld nicht so saturiert" sei wie in Europa.

Dieses Abgeschnittensein hat ihm zweifelsfrei eine in seinen Werken zum Ausdruck kommende Originalität und Explosivität erhalten, die den unvoreingenommenen Betrachter zunächst einmal stocken läßt. Man spürt, daß die Bilder aus einem intensiven Gefühl heraus entstanden sind. Die Kraft und klare Linie der Farbgestaltung seiner Ölgemälde ist bestechend.

Auf seine Stilrichtung angesprochen antwortet Valius: „Ich bin Realist", wie sein Sohn in seinem Aufsatz schreibt. „Denn Tränen, Schmerz und Freude sind Realitäten." Mit dem Thema „Mensch" hat sich Valius vor allem in seinen letzten Arbeiten beschäftigt, worüber die ausgestellten Werke beredtes Zeugnis liefern. Eines davon „Der Künstler", zeigt ihn, wie er gelebt hat: Breitbeinig inmitten eines Wirbels stehend malt er an einem Bild, unbeeinflußt von der tobenden Umwelt.